Am Stand von Valtria, Uster, erläuterte Thomas Krauss aktuelle Entwicklungen bei den Reinraumbetreibern. Das Nachfragehoch im Batterie-Bereich zeigt Bremsspuren, unter anderem weil die deutsche Regierung Elektroautos nicht weiter pusht. Der jüngste Hype in der Mikroelektronik ist noch intakt, doch die Verzögerung des Baus einer grossen Halbleiterfertigung durch Intel in Magdeburg zeigt auch hier eine Teilabschwächung.
Zwei Flaschenhälse: Monteure und Banksicherheiten
An solchen Grossprojekten zeigt sich auch exemplarisch, wie schwierig es ist, sie überhaupt zu stemmen. Denn es läuft doch so: Das Gewicht liegt immer stärker auf dem Reinraum-Engineering unter reichlichem Einsatz von Building Information Modeling (BIM) und mit vielen 3D-Darstellungen. Am Ende dieses Prozesses ist der Reinraum gefühlt schon fertig, und dann muss die Montage aus Effizenzgründen sehr schnell erfolgen. Wer aber kann die benötigten 500 qualifizierten Monteure ad hoch herbeischaffen?
Ein weiterer Flaschenhals ist die Finanzierung. Für Grossprojekte braucht man Banksicherheiten, doch die Finanzinstitute zögern oft. Darum geht der Trend zu grösseren Einheiten. Darum gehört Valtria selbst seit knapp einem Jahr zu französischen Clauger, Brignais.
Spitäler fragen Hygiene-Inspektion stärker nach
Steht ein Reinraum, so müssen nach nationalen und internationalen Normen regelmässig bestimmte Parameter überprüft werden. Dazu gehören Partikelzählungen, mikrobiologische Keimzahlbestimmungen, Kalibrierungen von Differenzdruckanzeigen, Temperaturfühlern und Feuchtefühlern und vieles mehr.
Spezialisiert hat sich darauf die Q-Tec AG, Volketswil. Jüngst hat das Unternehmen infolge einer stärkeren Nachfrage aus Spitäler zusätzlich die Hygiene-Inspektion nach VDI 6022 und SWKI VA 01-104 in Reinlufttechnischen Anlagen (RLT-Anlagen) in sein Programm aufgenommen.
Visualisierung für die Energieeffizienzsteigerung
Die zahlreichen Messungen in Reinräumen resultieren in einer Vielzahl von Daten. Diese zu visualisieren und im Sinne eines effizienten Reinraumbetriebs zu nutzen, hat sich die Ost-Energie GmbH, Zürich/St. Gallen, zum Ziel gesetzt. Das Unternehmen bekommt quasi automatisch Daten von Stromzählern herein und kann vielfach weitere dazu sammeln, indem es sie zum Beispiel aus BUS-Systemen ausliest. Das führt zu einer grossen Transparenz. Abweichungen vom Normalbetrieb, wie etwa aussergewöhnliche Trends bei Temperatur oder Luftfeuchtigkeit oder anderen Parametern.
Die Auswertung erfolgt, wo es sinnvoll erscheint, mit unkonventionellen Mitteln. So hat das Ost-Energie-Team schon einmal Daten und Graphiken aus einer Solaranlage in den bekannten Chatbot ChatGPT eingegeben und ihn danach gefragt, wo hier das Problem liege – Antwort: ein defekter Wechselrichter. Das war’s dann auch!
Ist das schon Künstliche Intelligenz? «Nein», erläutert Thomas Allemann am Cleanzone-Messestand, «denn alles muss von Hand in ChatGPT eingegeben werden.» Von einer Künstlichen Intelligenz würde man sich ein kontinuierliches «Mitdenken» und Aktionen zur Verhinderung defekter Teile oder wenigstens den vorausschauenden Austausch «fast» defekter Teile erhoffen.
Das grosse Thema für den Reinraum lautet nach Thomas Allemann: Wie stark lässt sich die Luftwechselrate senken? Zum Beispiel visualisiert sein Team dabei einen Vorher-Nachher-Vergleich nach Absenkung der Luftwechselraten in einem Reinraum und verifiziert später, ob er sich in der Realität genauso verhält.
An seine Grenze kommt das Ost-Energie-Team zurzeit dort, wo es um validierte Prozesse geht insbesondere im Pharma-Bereich. Dennoch sind die Systeme des Unternehmens auch in der Pharma-Branche im Einsatz, so etwa bei Johnson & Johnson in der Schweiz. Im Falle solch grosser Betriebe geht es schnell einmal um jährliche Einsparungen im sechsstelligen Franken-Bereich.
Einen Stand auf der Cleanzone unterhielt darüber hinaus auch die International Confederation of Contamination Control Societies – ICCCS, Bern.
Starke Nachfrage von Mikroelektronik-Startups
Auf der Cleanzone zeigten sich weitere Unternehmen mit starker Präsenz und/oder engerem Bezug zur Schweiz. Dazu zählte beispielsweise Bardusch im baden-wurttembergischen Ettlingen. Der Spezialist für die Reinigung von Reinraumwäsche dehnt sein Betätigungsfeld regional weiter aus und verdichtet es gleichzeitig. Das Highlight dieses Jahres war die Eröffnung eines neuen Standorts in Satteldorf, Baden-Württemberg. Das führt zu kürzeren Anfahrtswegen, einem geringeren CO2-Fussabdruck und zu einer höheren Reserve: Fällt eine Wäscherei aus, übernimmt die nächstgelegene. Die Schweiz deckt Bardusch mit Reinraumwäschereien vollständig ab.
Daldrop + Dr. Ing. Huber GmbH + Co. KG, Neckartailfingen, ein Unternehmen, das je nach Auftragslage temporär ein eigenes Büro in der Schweiz betreibt, sieht den Hype in der Mikroelektronik noch intakt. Das Unternehmen spürt eine stärkere Nachfrage von grossen Playern (z. B. Bosch) wie von Startups, viele davon aus der Bodenseeregion.
Thomas Nagel, Prokurist bei dem Unternehmen freut sich auch über Nachfrage aus Fernost. Denn selbst wenn es zuweilen so scheint, als entwickelten sich die dortigen Halbleiterhersteller zu globalen Monopolisten, so fragen sie doch Reinraumtechnik aus Europa nach. Daldrop hat über sein Büro in Singapur unter anderem einige Projekte in Taiwan realisiert.
Gelb ist das neue Blau
Übrigens liegt bei der Anwendung moderner Reinraumtechnologie das Universitätsklinikum Zürich gut im Rennen. Es setzt bereits den UV-Roboter Hero 21 der ICA, Dortmund, ein, einen Kandidaten für den Publikumspreis der Messe, den Cleanzone Award.
Der Roboter rollt durch ein Zimmer und desinfiziert es mit 254-Nanometer-Strahlen. Die Ansteuerung erfolgt bequem und zeitgemäss über ein Smartphone. Gewonnen hat den Cleanzone Award allerdings ein neues Verfahren zum Test von Reinraumbekleidung auf Durchlässigkeit für Mikroorganismen.
Eine wichtige Innovation aus dem Nachbarland Österreich präsentierte Josef Ortner, Ortner Reinraumtechnik, Villingen, fast ein wenig am Rande der Cleanzone. Auf die Frage, wie sich ein «sauberer Mensch» in den Reinraum bringen lässt, hat das Unternehmen mit seiner PDcT (PDc-Technologie, Photodynamic Disinfection certified technology, Ortner Reinraumtechnik) eine Antwort gegeben: Mit einem blauen Farbstoff eingefärbte Kleidung wird durch Licht aktiviert, wobei sich Singulett-Sauerstoff bildet. Dieser entfaltet eine desinfizierende Wirkung (98-prozentige Keimabtötung). Im Spital ist diese Bekleidung bereits im Einsatz.
Jetzt hat Ortner Reinraumtechnik in Kooperation mit der Humboldt-Universität einen noch viel effektiveren gelben Farbstoff entwickelt (99,99-prozentige Keimabtötung). Damit eingefärbte Reinraumbekleidung könnte für weite Bereiche einschliesslich der Industrie interessant werden und dürfte auch den bisherigen Farbstoff in den Spitälern ablösen. Gelb ist das neue Blau!
Text und Bilder: Dr. Christian Ehrensberger