Go East – Reinraumtechnologie für Estland

Mit der Installation von zwei grossen Reinraumanlagen startet der estnische Produktionsstandort der Karl Storz Gruppe, eines weltweit führenden Herstellers von Endoskopen und medizinischen Geräten, seine eigene Reinraumfertigung. Die Firma Schilling Engineering, Spezialist für die Planung und den Bau von Reinräumen, ist als Partner von Karl Storz mit im Boot.
Vollverglaste Umluftwände sorgen für Tageslicht und Einsicht bei der Herstellung der Endoskope. (Bilder: Schilling Engineering)

Genauer: Schilling Engineering bekam den Auftrag, die Reinraumproduktion der Firma Karl Storz Video Endoscopy Estonia aufzubauen, ein Teil der familiengeführten Karl Storz Gruppe.

Hoher Automatisierungsgrad der Fertigungslinien

Die Fertigstellung der gesamten Reinraumanlage in Tallinn wurde in mehreren Phasen geplant. Die ersten beiden Bauabschnitte sind bereits abgeschlossen, ein weiterer Ausbau der Reinraumkapazitäten ist in Vorbereitung.

Damit gewinnt der estnische Standort nicht nur innerhalb der Karl Storz Gruppe an Bedeutung, sondern setzt auch Massstäbe im Bereich Smart Factories. Estland gilt als Vorbild in Sachen Digitalisierung und hat sich in diesem Bereich zu einer der fortschrittlichsten Gesellschaften der Welt entwickelt. Auch die Produktionslinien am estnischen Standort von Karl Storz sind hoch automatisiert und vernetzt.

«Wir bauen unsere Reinraumproduktion komplett neu auf und wollen sie nahtlos in unsere Unternehmensphilosophie integrieren, die auf einen hohen Digitalisierungs- und Automatisierungsgrad setzt», sagt Riivo Ranniku, Director of Operations bei Karl Storz Video Endoscopy Estonia OÜ. «Dazu brauchen wir das Know-how eines Experten, der uns berät, schult und mit neuester Technologie versorgt. Mit Schilling Engineering haben wir einen zuverlässigen Partner gefunden, der uns dieses Gesamtpaket anbieten konnte. Das Reinraumsystem liefert uns eine Fülle von Daten, die wir in unsere Prozesse integrieren können, wie zum Beispiel die automatische Steuerung und Überwachung. Auch die Möglichkeit der Fernwartung ist für uns sehr wichtig.»

Entwicklung eines Prototyps für Einweg-Endoskope

Der erste Reinraum der neuen Anlage wurde zeitlich in der Planung der Gesamtanlage vorgezogen, um darin einen Prototyp für die geplante Herstellung von Einweg-Endoskopen entwickeln zu können. Die 350 Quadratmeter grosse Reinraumanlage ist bereits in Betrieb gegangen und erreicht die Reinraumklasse ISO 7 in operation.

Eine Besonderheit des Reinraums ist die Materialschleuse. Sie ermöglicht eine Steuerung und Rückmeldung für Logistikroboter. Die autonomen, mobilen Roboter in der Grösse eines kleinen Einkaufswagens öffnen die Schiebetore der Materialschleuse automatisch per Funk. Um einen Druckabfall im System zu verhindern, sorgen gegenseitig verriegelte Türen dafür, dass immer mindestens eine Schleusentür geschlossen bleibt.

Für die Inbetriebnahme des Reinraums haben sich die Esten einen straffen Zeitplan gesetzt, um die Validierung der Medizinprodukte zu beschleunigen. Innerhalb von nur sechs Monaten wurde die erste Projektphase erfolgreich abgeschlossen. Das Reinraumsystem wurde nach ISO 14644-1 qualifiziert und eine ausführliche Dokumentation erstellt. Sie umfasste Raumbuch, Risikoanalyse und DQ-PQ.

Digitalisierte Prozesse und Qualitätskontrolle

Auch der zweite Abschnitt der Reinraumanlage erreicht die ISO-Klasse 7 und verfügt über ein flexibles Design, das an zukünftige Anforderungen angepasst werden kann. Die Gesamtfläche der Reinräume beträgt mehr als 750 Quadratmeter plus Personal- und Materialschleusensysteme.

Ein grosses Anliegen der Esten war eine lückenlose Qualitätsüberwachung der Reinraumtechnik, die sich in die digitalisierten Abläufe der hochmodernen Produktion integrieren lässt. Mit seinem hauseigenen Steuerungssystem konnte Schilling Engineering diesen Wunsch nach hoher Datenintegration erfüllen. Das Steuerungssystem verwaltet zentral die Einstellungen der Reinraumtechnik und misst und überwacht wichtige Parameter wie Partikel, Feuchte, Druck und Temperatur.

Die Steuerung des Reinraums erfolgt über Touchscreens, die auch aus der Ferne zugänglich sind. Um die Bedienung zu erleichtern, wurden die Oberflächen ins Estnische übersetzt. Für den unwahrscheinlichen Fall einer Störung, wurde eine sichere Fernwartung von Deutschland aus eingerichtet. Auf diese Weise wird eine effiziente Fehlersuche ermöglicht. Im Störungsfall werden die Verantwortlichen per E-Mail benachrichtigt.

Eine spezielle Programmierung ermöglicht es, die Reinraumanlage bei Nichtbetrieb in einen «Schlafmodus» zu versetzen. In diesem Zustand werden die Luftwechselrate und die Druckkaskaden energiesparend reduziert.

Erfolgreiche Kooperation in Europa

Das Projekt stellte die deutschen Reinraumspezialisten vor einige Herausforderungen: Die Einsatzzeiten der Projektleiter und Servicetechniker mussten genau geplant werden, denn die Mitarbeiter von Schilling Engineering aus Baden-Württemberg reisten mit dem Flugzeug und nicht mit ihren gewohnten Servicefahrzeugen an. Material und Werkzeuge wurden per Spedition nach Estland gebracht. Um Verzögerungen zu vermeiden, wurden einige Werkzeuge und Komponenten als Ersatzteile mitgeliefert.

Mit Unterstützung der estnischen Kollegen konnten die logistischen Herausforderungen gemeistert werden. Nach einer Bauzeit von acht Wochen wurde die zweite Reinraumanlage qualifiziert und betriebsbereit übergeben. Eine dritte Anlage ist bereits in Planung.


Schilling Engineering

CH-8219 Trasadingen

https://schillingengineering.ch

Die gesamte Anlage umfasst mehr als 750 Quadratmeter Reinraumfläche und ist für Erweiterungen ausgelegt.
Autonome mobile Roboter, die per Funk die Schiebetüren öffnen, fahren automatisch in die Materialschleuse ein.

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