Ein Beispiel stellt die Sterilität von Arzneimitteln dar. Im Sinne des neuen Annex 1 soll sie weitergedacht werden in Richtung Wareneingang, Warenausgang, im Speziellen Wirkstoff-Sterilität und Packmittel-Sterilität. Besonders deutlich wird dies im Bereich der personalisierten Medizin: Ein Zytostatikum mit der Losgröße 1 wird speziell für einen einzigen Patienten hergestellt und muss nun von der Workbench aus dem Reinraum im Apothekenlabor durch verschiedene Schleusen zum Patienten gebracht werden – alles unter Beibehaltung der Sterilität! Am Ende dieser Kaskade von Prozessen wird letztlich auch das Packmittel zur kritischen Komponente, was auf der Messe beispielsweise am Stand von KWP, Gründau, ausgiebig diskutiert wurde.
Getrennte Schritte: Reinigung und Desinfektion
Ein weiteres Beispiel betrifft die Hygiene im Reinraum, denn dazu sagt der neue Annex 1: Mechanische und mikrobiologische Hygiene sollen in zwei aufeinanderfolgenden Schritten erfolgen und nicht, wie zuvor teilweise üblich, in einem einzigen. Das frisst mehr Zeit, verursacht auch höhere Kosten. Die gute Nachricht: Der Reinraumbetreiber bekommt bei der Umstellung von SOPs und bei der Schulung von Mitarbeitern Hilfe von Experten. Außerdem geht der Trend zu immer kleineren Reinräumen. Dort findet kein klassischer Wagen mit Reinigungsutensilien Platz, insbesondere keine Mops, die ein Mitarbeiter in eine Desinfektionslösung tauchte. Stattdessen werden häufiger vorgetränkte Mops verwendet – kein Anmischen von Flüssigkeiten, kein Fehlerpotenzial. Auch die Validierung mit gängigen Desinfektionsmitteln und damit der Nachweis, welche Menge an Desinfektionsmittel auf eine bestimmte Oberfläche [m²] abgegeben wird, bringen wegweisende Produkte schon mit (z.B. Pur Mop F1-S, Hydroflex, Buseck).
Einen speziellen Aspekt bei Validierungen der Oberflächenreinigung und Desinfektion stellt das folgende Problem dar: Wie bringe ich eine definierte Verunreinigung an die Wand oder an die Decke? Versuche, einen solchen «repräsentativen Klecks» mit einer Pipette aufzuspritzen, wirken hier behelfsmäßig. Erstmals kann nun ein Drucker quantitativ Verunreinigungen als Surrogat aufbringen und dann abreinigen (Skan, Allschwil).
Ein weiteres spezielles Thema, das sich aus dem neuen Annex 1 ergibt, dreht sich um die Beprobung von Reinigungswasser in Isolatoren. Der Ausgangspunkt: In geschlossenen Isolatoren sind Wasserleitungen steril zu beproben. Für Neuinstallationen gibt es fertige Lösungen; für Alt-Isolatoren dagegen wird es schwierig. So lohnt es sich für Reinraum-Betreiber, die fortlaufende Entwicklung in diesem Bereich zu beobachten.
Um das Beispiel zu verallgemeinern: Ganz allgemein geht der Trend im Gefolge des neuen Annex 1 zu umfassenden Kontaminations-Kontroll-Strategien. Das bedeutet allerdings nicht, dass jeder Prozess zwingend aktiv kontinuierlich überwacht werden muss. Unter Verwendung von Sedimentationsplatten besteht hier die Alternative für die passive Kontrolle – genauer: Durch die Kombination einer aktiven Luftprobenahme (z.B. MAS-100 Iso Luftkeimsammler, MBV, Stäfa) und der kontinuierlichen Überwachung mit einer herkömmlichen Sedimentationsplatte werden die Anforderungen erfüllt.
Als größte Kontaminationsquelle gilt im Reinraum stets der Mensch. Darum lautet eine Kernfrage: „Wie bringen wir einen sauberen Menschen in den Reinraum?“ Die photodynamische Desinfektion hat hier bereits Massstäbe in puncto Bekleidung gesetzt. Dazu werden die Stoffe speziell eingefärbt. Der Farbstoff wird unter Lichteinfluss aktiviert und entfaltet dann seine gewünschte desinfizierende Wirkung. Dieses Konzept wird jetzt in den industriellen Massstab erweitert. Entscheidend dabei: Der Farbstoff wird bei jedem Licht aktiviert, innerhalb eines Raums ebenso wie außerhalb. So desinfizieren sich Reinraumbekleidung und auch OP-Tücher unter Lichteinfluss quasi selbst (PDc-Technologie, Ortner Reinraumtechnik, Villach).
Ein «Wachhund» für den Baufortschritt von Reinräumen
Als weitere Dauerbrenner wurden auf der Lounges unter anderem die Energieeffizienz und die Nachhaltigkeit von Reinraumtechnik unter die Lupe genommen. Auch die Nutzung von Künstlicher Intelligenz war bereits ein Thema, und zwar im Zusammenhang mit der Abschätzung von Gefährdungen von Personen und Produkten. Wem beim Gang durch die große Halle ab und an ein Roboter in Gestalt eines Hundes (näherungsweise, versteht sich) begegnete, der wird sich gefragt haben, ob hier ebenfalls eine Künstliche Intelligenz vor ihm steht. Tatsächlich kann das «Tier» über den Baufortschritt eines Reinraums wachen und den aktuellen Stand melden (Exyte, Stuttgart).
Die Gesamtatmosphäre der Lounges bleibt positiv im Gedächtnis. Josef Ortner, Ortner Reinraumtechnik, lobte das Konzept: «Die Stände sind alle gleich. Hier gibt es nichts Übertriebenes oder dass sich einer hervortun will.» Es geht schlicht um die Sache, um den Reinraum. «Es ist fachlich intensiv», bestätigt André Brugger, CSO/Verkaufsleiter bei H. Lüdi + Co. AG, Regensdorf. «Und es sind im Vergleich zum letzten Mal mehr Schweizer gekommen.“
Aufgezeichnet von Christian Ehrensberger, Chefredaktion CCR